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  • AutorenbildJuerg Federer

Hören wir doch auf mit dieser Seligkeit

Glück ist ein Gefühl, das oft im Gegensatz zur Überflussgesellschaft steht



Roger Federer, Tennis, Legende
Roger Federer war einst «enfant terrible». Ein tragischer Verlust ging seinem ersten Grand Slam Titel voraus.

Wir ergötzen uns an Menschen, die wie Phoenix aus der Asche aufgestiegen sind. Doch vor nichts fürchten wir uns mehr, als selbst in Asche zu zerfallen. Verabschiedet sich die Überflussgesellschaft so von ihren Glücksgefühlen?

Hast Du schon einmal gefastet? Dich fünf Tage oder länger fester Nahrung entzogen? Ein kleines Glas Gemüsesaft am Mittag, während imaginäre Tortenstücke vor den klaren Augen rumfliegen und aus dem Nichts der Geruch von Cervelat in die Nase steigt – ungesalzen, unverblümt?


Das Faszinierende am Fasten, vom Verlust der Pfunde, die unsere Wohlstandsgesellschaft als Notvorrat gleich über dem Gürtel trägt ganz abgesehen, sind die Glücksgefühle, die es nach einigen Tagen Enthaltsamkeit hervorbringt. Momente der Klarheit, denen auch Steve Jobs, Co-Founder von Apple, regelmässig verfiel.


Lüsterst Du nach dem Misserfolg Anderer?

Wenn nichts mehr verdaut wird, nur noch nacktes Überleben den Körper beschäftigt, findet wahres Leben in den Vordergrund. Ein Prozess, der im Gegensatz zur Überflussgesellschaft steht. Eine Gesellschaft, in der wir Besitztümer anhäufen, die wir wie Augapfel beschützen. Eine Sozialstruktur, in der Likes, Followers, Friends und Connections die «Benchmark» für das Erlangen von Status gelten.


Vor nichts fürchtet sich der Mensch mehr als vor dem Verlust von Besitz und Status. Dabei sind es diese Momente, die eine Biographie nachhaltig definieren. Wenn ein Mensch die «Benchmark» der Überflussgesellschaft übertrifft, «Celebrity Status» erlangt und unter den Augen neidischer Zuschauer über den roten Teppich kostenfrei zum Apéro Riche schreitet, lüstern wir geradezu danach, seine Niederlagen vor den Erfolg zu stellen.


Sechs erwiesene Niederlagen, die zu Weltruhm führten

Steve Jobs, der oben erwähnte Co-Founder von Apple, hat einst sein Studium abgebrochen. Zudem wurde er 1985 von Apple entlassen. J.K. Rowling, eine der erfolgreichsten Autorinnen der Geschichte, war vor der Publikation von «Harry Potter» auf Sozialhilfe angewiesen. Mike Tyson, der jüngste Schwergewichts-Weltmeister der Box-Geschichte, war mit zwölf Jahren Teil einer Strassengang in New York. Bereits als Teenager wurde er mehrmals für Straftaten verurteilt. Stephen King, bekannt als der wohl beste Horror-Autor überhaupt, wurde 30 Mal von Verlagen abgewiesen, bevor er sein erstes Buch veröffentlichen durfte. Mark Streit, der erste NHL-Captain der Schweizer Eishockey-Geschichte und Stanley Cup-Sieger mit den Pittsburgh Penguins, wurde einst vom SC Bern als «für das Profi Eishockey untauglich» befunden. Er wurde für ein paar Almosen zu Fribourg-Gottéron transferiert. Und Roger Federer, «Every Schweizer’s Darling», läuterte sich vom «enfant terrible» zum erfolgreichsten Tennisspieler aller Zeiten. Zwei Jahre nachdem sein Mentor in einem Autounfall verstorben war.


«Glück liegt oft dort verborgen, wo kein Einfluss mehr von aussen nach innen dringt»

Niederlagen, Todesfälle, Scheidungen, Jobverluste und Privatkonkurse – vor nichts rennen wir schneller und entschiedener weg. Kein Anruf, keine Likes, keine Followers und auch kein Besitz, es ist das Armageddon des westlichen Menschen. Dabei zeigen doch die oben aufgeführten Beispiele, die man ohne zeitraubende Recherche um Seiten verlängern könnte, dass am Anfang des Glücks so oft die Niederlage steht.


Es ist wie beim Fasten. Fasten hat nichts mit Hungern zu tun. Das Wort entstammt der gotischen Sprache und heisst halten, streng beobachten und bewachen.Einfach sein und ganz genau aufpassen was geschieht, wenn nichts mehr «verdaut» wird. Also tu doch einfach mal nichts. Iss nichts, kauf nichts, schau Dir nichts an – und denk nichts. Glück, die Seligkeit, die nach fünf Tagen Nahrungsentzug in den Vordergrund tritt, liegt oft dort verborgen, wo kein Einfluss mehr von aussen nach innen dringt.




Nächste denkwiese Nacht: Freitag, 18. Oktober 2019, Zentrum Paul Klee Bern Tickets hier


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